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Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, hat diese Woche am Ende seiner Rede bei der CeBit-Konferenz in Hannover sein neuestes Spielzeug vorgestellt – eine „Gesichtszahlungsapp“, die bei mobilen Online-Einkäufen die Möglichkeit bietet, Gesichtserkennungstechnologie zu verwenden. Die App wird von Ant Financial entwickelt (der Tochtergesellschaft von Alibaba, die den Online-Zahldienst Alipay betreibt und bei der ein Börsengang in einigen Jahren diskutiert wird). Bei der Vorführung benutzte Ma sein Telefon, um ein Selfie von sich zu machen, das automatisch einen Kauf autorisierte: Dabei wurde auf der Alibaba-Seite eine Sonderbriefmarke für die Hannover Messe aus dem Jahr 1948 als Geschenk an den Bürgermeister der Stadt gekauft. Ma gab an, dass seine neue Technologie die „Zukunft davon, wie Menschen Dinge online kaufen werden, darstellt“.
Aber das war alles. Es wurden keine weiteren Informationen zu den offensichtlichen Fragen bezüglich Sicherheitsaspekten zur Verfügung gestellt, doch wenn dieses Produkt auf den Markt kommt (und wir gehen angesichts der persönlichen Vorstellung in der Öffentlichkeit durch Ma davon aus), wird es bedeutende Auswirkungen auf den Markt mobiler Online-Zahlungen haben, nicht nur in China (wo es als erstes eingeführt wird), sondern für den gesamten Online-Einzelhandel weltweit.
Chinas Zahlungsmarkt
Gemäß Mintels Bericht zu Zahlungspräferenzen in China 2014 ist der Markt für mobile Online-Zahlungen zwar klein, erlebt jedoch einen Boom. Ende Juni 2014 waren in China 4,5 Millionen Bankkarten im Umlauf (3,35 Karten pro Person), doch lediglich 422 Millionen waren Kreditkarten, was eine noch immer relativ geringe Zahl von 0,31 Kreditkarten pro Person darstellt. Doch die Anzahl und der Wert der Banküberweisungen stiegen bis Ende Juni 2014 im Vergleich zum Vorjahr um jeweils 54,37 % und 35,26 % an.
Die Anzahl der ausgestellten Bankkarten und die Ausgaben mit diesen Karten übertreffen immer noch das Wachstum von Zahlungen über dritte elektronische Zahldienste, was beides darauf hindeutet, dass noch immer ein beachtliches Wachstumspotenzial für dritte elektronische Zahldienstleister besteht.
Online-Einkäufe und somit auch Online-Zahlungen wachsen seit einigen Jahren sehr schnell. Zum Ende des Jahres 2013 erreichte die Zahl der chinesischen Online-Einkäufer 302 Millionen und hatte sich damit innerhalb von fünf Jahren beinahe verdreifacht. Die Ausgaben nehmen pro Kopf jedoch noch schneller zu, angesichts der Tatsache, dass der Gesamtwert der Online-Umsätze, die Unternehmen im Endverbrauchergeschäft (Business-to-Consumer; B2C) erwirtschaftet haben, zwischen dem Jahr 2009 und Ende 2014 um mehr als das Vierzigfache gestiegen ist.
Innerhalb des B2C hatte der mobile Online-Einzelhandel Ende 2014 einen Anteil von 32 % erreicht; im Jahr 2010 war dieser noch geringfügig. Im Jahr 2013 bearbeitete die People’s Bank of China 1,67 Milliarden mobile Zahlungsvorgänge (Anstieg von 213 % im Vergleich zum Jahr 2012) im Wert von 9,64 Billionen RMB (Anstieg von 317 % im Vergleich zum Jahr 2012). In den ersten drei Monaten des Jahres 2014 hatten mobile Zahlungen bereits die Hälfte aller Zahlungen im Jahr 2013 überschritten.
Die Geschäftsinhaber und Einkäufer überreden
Doch es gibt immer noch Widerstand gegen Veränderungen. Viele Einzelhändler übernehmen neue Technologien nur langsam, wie zum Beispiel Zahlungssysteme mit Nahfeldkommunikation, und sind weiterhin zurückhaltend, in den Umstieg von Kartenlesegeräten auf Smartphone-Scan-Technologie zu investieren. Zahlungsverkehrdienstleister wie Alipay müssen mehr tun, um Einzelhändler davon zu überzeugen, die neuen Technologien einzuführen, indem sie Anreize dafür schaffen.
Solche Technologien werden von Verbrauchern nur dann im großen Stil angenommen, wenn sie eine kritische Masse erreichen. Die Einzelhändler werden nur dann einen Anreiz sehen, wenn sie erkennen, dass genug Verbraucher diese neuen Technologien wünschen. Zahlungsdienstleister wie Alipay müssen die Geschäftsinhaber und Einkäufer bei diesem Thema zusammenführen, wenn sich etwas bewegen soll.
Wenn jemand dazu in der Lage ist, ist es wahrscheinlich Alipay. Alipay hatte Ende Juni 2014 einen geschätzten Anteil von 45 % an den Online-Einzelhandelstransaktionen. Gemäß Mintels Bericht zum Online-Einzelhandel in China 2014 dominiert Alibaba selbst den chinesischen E-Commerce-Markt und verfügt über einen Marktanteil von 71,1 %
Doch mobile Zahlungen sind noch immer nicht allgemein akzeptiert. Nur die Hälfte der Internetbenutzer in den Großstadtregionen ersten, zweiten und dritten Ranges haben in den vergangenen sechs Monaten Online-Zahlungen getätigt – und das, obwohl 96 % Online-Zahlungen tätigen und 95 % Smartphones besitzen (laut Mintels Bericht zu Mobiltelefonen und Apps in China 2014); zudem geben nur 22 % der Verbraucher, die keine mobilen Zahlungen tätigen, an, dass sie künftig mobile Zahlungen öfter tätigen möchten.
Dies deutet darauf hin, dass die Menschen bei der Annahme neuer Technologien noch immer konservativ sind, obwohl 42 % der Befragten angeben, dass sie ein Interesse daran haben, fortgeschrittenere Methoden zur Zahlungsauthentifizierung auszuprobieren, was zeigt, dass eine Neugier für die möglichen Vorteile dieser Systeme besteht.
Die meisten Verbraucher sind vom Komfort überzeugt; 67 % der von Mintel befragten Verbraucher sind der Ansicht, dass mobile Online-Zahlungsvorgänge bequemer sind, und 63 % denken, dass sie Zahlungen jederzeit und überall tätigen können. Doch Sicherheitsbedenken bleiben weiterhin bestehen; 37 % fühlen sich unsicher dabei, Bankinformationen in mobile Apps zu integrieren, und 34 % äußerten Bedenken zu der Datenmenge, die zu ihrem Ausgabeverhalten erfasst wird.
Ist das die Zukunft?
Die neuen Bezahlsysteme per Gesichtserkennung sind sicherlich beeindruckend. Die Idee, Produkte und Dienstleistungen auf so einfache Weise zu bezahlen, ohne in einer Schlange anstehen zu müssen, klingt verlockend. Und wir sind überzeugt, dass sie eines Tages auf dem Markt eingeführt wird. Doch diese Technologie erfolgreich auf den Markt zu bringen, wird eine Menge Überzeugungsarbeit bei Einzelhändlern und Verbrauchern erfordern, um ihnen die Vorteile nahezubringen. Mr. Ma wird uns außerdem noch viel mehr zur Gewährleistung der Sicherheit erzählen müssen!
Matthew, Mintels Director of Research for Asia Pacific, befasst sich mit der Entwicklung des Lifestyles unter Chinas Verbrauchern und den Folgen für Chinas Bewohner und die Gesellschaft. Nachdem er vorher das Forschungsunternehmen Access Asia mitgegründet hat, arbeitet Matthew mit großem Engagement daran, die unzähligen Widersprüche in Chinas Wirtschaft und in den Statistiken zu Verbrauchermärkten in ganz China nachzuvollziehen.
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