Strategic Thinking: Der Fluch des Mainstreams

Strategic Thinking: Der Fluch des Mainstreams

04/11/2019
Lesezeit: 6 Min.

Häufig werden wir Marktforscher gefragt, wann und mit welcher Geschwindigkeit unsere Voraussagen eintreten werden. Schließlich will jeder möglichst schnell und vor allen anderen wissen, wie die Zukunft aussehen wird und wie rasch spezielle Trends massenwirksam werden. Doch wieso wollen alle sofort nach dem Massenmarkt streben? Müssen Produktinnovationen direkt einen „Mainstream-Appeal“ bedienen, um große Erfolge zu verbuchen?

Um diesen Fragen auf den Kern zu gehen, beleuchten wir in diesem Artikel einige bekannte Marken und erläutern, wie diese von einer breiten Schicht an Verbrauchern aufgenommen wurden – obwohl ihnen zu Beginn nur mäßiger Erfolg auf dem Massenmarkt zugesprochen wurde.

Starbucks

Ging es bei Starbucks von Grund auf um die Massentauglichkeit des Unternehmens, als die Kaffeekette 1971 von Gerald Baldwin, Gordon Bowker und Zev Siegl gegründet wurde? Die Zielgruppe waren damals jedenfalls nicht die Kaffeetrinker, die ihr geliebtes Heißgetränk bei Dunkin Donuts bestellten.

Der frühe Erfolg des Franchise-Unternehmens ist der Angebotspalette zu verdanken, zu der neben Premium-Kaffee auch ein gemütliches Ambiente und Kundennähe gehört. Diese Strategie ist auf besserverdienende, gebildete 25-44-jährige Angestellte zugeschnitten, die zumeist Frauen sind und nach neuartigen Kaffeegetränken Ausschau halten.

Game of ThronesAls Game of Thrones (GoT) zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, konnten sich nur wenige vorstellen, auf welchen Zuspruch die HBO-Show weltweit stoßen würde. Kritiker behaupteten, dass die Show nur Fans des Rollenspiels „Dungeons & Dragons“ ansprechen würde und daher weniger gewalttätige und weniger komplexe Erzählstränge bräuchte.

GoT hat durchschnittlich 32,8 Millionen Zuschauer pro Episode (ab der 7. Staffel) vor den Fernseher gelockt und jeden von ihnen in einen „Nerd“ verwandelt. Anhänger der Serie suchten in Foren nach neuen Hinweisen zum weiteren Handlungsverlauf, sezierten Screenshots von Nahaufnahmen und fingen endlose Diskussionen auf Social Media an – mit Unbekannten, die sie nur durch die digitale GoT-Community kennenlernten. Man kann allerdings nicht behaupten, dass der Erfolg einzig dem Plot zu verdanken wäre. Vielmehr haben Spielfilme wie „Herr der Ringe“ den Weg für Fantasy-Filme geebnet und diese massentauglich gemacht.

RXBAR

Die Marke RXBAR wurde 2012 in einem Vorort von Chicago ins Leben gerufen und bietet Proteinriegel mit Clean-Label-Versprechen an. Aufgrund der transparenten Zutatenliste fand der Snack anfangs besonderen Anklang in der dortigen CrossFit-Community und wurde 2017 schließlich von der Kellogg Company für 600 Millionen US-Dollar erworben.
Mittlerweile ist das Produkt in den Regalen von Whole Foods, Target und anderen großen Einzelhändlern zu finden. Dieser Erfolg ist nicht etwa der Sportgemeinschaft zu verdanken, aus der heraus der Riegel entstand, sondern vielmehr der Tatsache, dass die Marke gesundheitsbewusste Verbraucher mit einem entsprechenden Snack ansprach. Aufgrund des authentischen Angebots hat sich RXBAR zu einem bekannten Hersteller entwickelt, der eine breitere Masse anspricht, die wiederum dem Fitness-Ideal der mittlerweile trendigen CrossFit-Kultur nacheifert.

Supreme

Alles begann mit einem Skateboard-Laden im New York der Neunziger; mittlerweile sollte jedoch vielen das rote Logo, das anfangs ausschließlich auf Hoodies und Sweatshirts prangte, bekannt sein. Heute hat sich die Marke einen regelrechten Kult um ihre Geschäfte und Waren aufgebaut – und zieht damit vor allem Verbraucher an, die sich für Streetwear interessieren. Die Kollektionen drehen sich allesamt um ihr „Anarcho-Erbe“, das die Style-Einflüsse verschiedener Subkulturen aufgreift und miteinander vereint. Kooperationen mit Luxusmarken wie Louis Vitton, Gucci, aber auch mit Mode-Vertretern der Sportszene wie The North Face, Vans und Oakley haben den Hype um Supreme befördert.

Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich Supreme so von einer Skateboard-Marke zu einer angesagten Streetwear-Brand gemausert, die heute auf einen Wert von einer Milliarde US-Dollar geschätzt wird. Trotz des Medienwirbels, den Supreme durch wöchentliche Produktlaunches auf Social Media und in den Stores mit antrieb, sei das oberste Ziel des Gründers, „die Authentizität des Labels zu wahren“. Schließlich müsse „Supreme cool bleiben, um zu überleben.“

Erfolgsrezept Nische?

Nicht jede neue Marke oder Produktinnovation muss von Punkt Null auf den Massenmarkt abgestimmt sein, um sich erfolgreich etablieren und eine größere Menschenmenge ansprechen zu können. Wie die oben genannten Beispiele zeigen, gibt es nicht das eine Erfolgsrezept, sondern viele verschiedene.

Bestehende Zweifel vonseiten Unternehmen, ob „Trend X“ mainstreamtauglich sei, haben zudem oftmals den Effekt, Teams auf Themen einzuschießen, die eventuell gar nicht wirklich zum Produkt oder zur Marke passen. Zudem macht es bezüglich Branding und Werbestrategien Sinn, zuerst eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen, das Markenbewusstsein aufzubauen und das Digitale Marketing aufzurüsten, um die Konversionsrate in Gang zu setzen. Auch lohnt sich stets ein Blick darauf, welche Nischen es zu erobern gilt, um sich entsprechend von anderen Wettbewerbn differenzieren zu können.

Obgleich die oben genannten Beispiele zeigen, dass es sich lohnen kann, in speziellen Communities und Märkten anzufangen, die eng mit der Positionierung verknüpft sind, heißt das wiederum nicht, dass alle Marken automatisch in Nischenstrategien investieren sollten.

Man kann nicht alle gleich zufrieden stellen

Zunächst einmal sollte es nicht darum gehen, dem Drang und konditioniertem Wunsch zu folgen, bei allen Verbrauchern sofort auf Anklang zu stoßen. Innovatoren und Designer müssen heute nicht mehr das „eine“ Produkt mit den richtigen Eigenschaften finden, die den kleinsten gemeinsamen Nenner der Verbraucherbedürfnisse in einem lose definierten Markt abdecken. In einem stark fragmentierten Markt sollten Marketingstrategien auf einem tieferen Verständnis und der Fähigkeit beruhen, auf noch im Entwicklungsstatus befindliche Bedürfnisse, Wünsche und Zweifel in klar definierten Marktsegmenten zu reagieren. Der grundlegende Erfolg einer Marke hängt von der großen Herausforderung ab, ein passendes Leistungsversprechen für einen klar definierten Zielmarkt zu schaffen. Diese anfänglich eingeschränktere Marktanpassung ist die Grundlage für den Aufbau einer starken Marke.

Zielgruppe vs. Masse

Oftmals blicken wir auf mehrere Kategorien in ihrer Reifephase und gehen davon aus, dass es ihre anfängliche Massenwirkung ist, die ihnen zum großen Erfolg verholfen hat. Allerdings wird dabei schnell der Prozess übersehen, der das Markenbewusstsein und die Einstellung gegenüber einem spezifischen Produkt geschärft hat. Generell sollte in der Frühphase das richtige Segment identifiziert werden, das zur Positionierung der Marke passt und in die es sich am besten eingliedern lässt. In der Wachstumsphase folgen dann zur richtigen Zeit weitere Segmente, bis es sich in der Reifephase schließlich darum dreht, weitere Zielgruppen an die Marke heranzuführen.

Mainstream ist eine Wachstumsstrategie, kein Anfangspunkt

Der breitere Mainstream-Erfolg sollte definitiv kein Anfangspunkt, sondern Teil der Wachstumsphase sein und die Strategien der Marktdurchdringung und -entwicklung bestimmen. In dieser Phase müssen Firmen ihren Plan ausarbeiten, um das Geschäftsmodell und damit zusammenhängend die Zielgruppe zu bestimmen.

Die richtige Wachstumsstrategie besteht darin, auf dem Erfolg der anfänglichen Marktanpassung an den ursprünglichen Zielmarkt aufzubauen und durch die aufgebaute Authentizität in andere Segmente zu expandieren. Mit Ausnahme von schnell skalierenden Produkten oder Dienstleistungen ist „Mainstreaming“ ein Prozess, der in mehrere Schritten passiert, um die richtigen Segmente und Märkte zur richtigen Zeit zu erobern.

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