You Heard It Here First: Digital Detox

You Heard It Here First: Digital Detox

27/02/2019
Lesezeit: 5 Min.

Durch unsere frühzeitigen und präzisen Analysen wuchs Mintel in den letzten fünfzehn Jahren zu einer der weltweit führendsten Agenturen für Market Intelligence heran. In unserer neuen Serie „You Heard It Here First“ werfen wir einen Blick auf einige der Trends, die wir in den letzten 15 Jahren vorhersagten, und erörtern, wie sich diese im Laufe der Zeit entwickelt haben. In diesem Artikel blicken wir auf unseren Trend-Report „Switching Off“ zurück, in dem wir erklärten, dass eine digitale Auszeit eine immer wichtigere Rolle für Menschen spielen wird.

Rekapitulation der letzten zehn Jahre nach unserer „Digital Detox“-Prognose

In dem 2010 veröffentlichte Trendreport „Switch Off“ erklärten wir, dass „Technologie unausweichliche Ebenen des Vernetztseins und der Erreichbarkeit geschaffen hat. Die Verbraucher benötigen daher eine Auszeit, mehr Privatsphäre und die Möglichkeit, sich wieder mit der realen Welt zu verbinden.“ Damals wurden diejenigen aber, die sich als Erste für eine Auszeit von digitalen Medien aussprachen, noch als eine Art moderner Eremiten verspottet.

Unsere Behauptungen stützten sich neben Zeitungsreportagen über Internetsucht auch auf Forschungsergebnisse der amerikanischen University of Notre Dame, der zufolge Jugendliche, die zwanghaft im Web surfen, bis zu 2,5 Mal anfälliger für Depressionen sind.
Nach zehn Jahren unserer Trendvorhersage gibt es heute kaum noch Orte, an denen es kein Internet gibt – selbst einige Fluglinien bieten mittlerweile WiFi an. Smartphones sind außerdem nicht länger nur etwas für Erwachsene: So besitzen drei von vier amerikanischen Jugendlichen mittlerweile ein iPhone und 45 Prozent der amerikanischen 13-17-Jährigen gaben bei einer Studie des Pew Research Centers an, „fast immer“ online zu sein.

Auch wenn die Entwicklung hin zu mehr „Offline“-Zeit bisher nur einige wenige gesellschaftlich akzeptierte Lösungen hervorgebracht hat, hat sich unsere Prognose also dennoch – wenn auch langsamen Schrittes – verwirklicht. Nicht nur aufgrund der für Schlagzeilen sorgenden Geschichten von Menschen, die bei waghalsigen Selfie-Versuchen tragisch verunglückt sind, sind sich heute viele darin einig, dass das unausweichliche Vernetztsein für Angststörungen und anderen Leiden mitverantwortlich ist.

Neuste Ergebnisse der im Januar 2019 veröffentlichten Millenials-Kohortenstudie der University College London (UCL) festigen die Recherchebefunde, dass es einen Zusammenhang zwischen Depression bei Jugendlichen und exzessiver Nutzung von sozialen Medien gibt. Auch gaben 57 Prozent britischer Teenager gegenüber der Wohltätigkeitsorganisation The Prince’s Trust zu, über ihr Erscheinungsbild besorgt zu sein. Weiterhin fühlen sich dieser Studie zufolge 62 Prozent der Briten unzulänglich, da sie ihr Leben mit dem anderer online vergleichen – weitere Belege dafür, dass wir im Zeitalter der „Vergleicheritis“ leben.

Die Zukunft unter Kontrolle

Facebooks Cambridge-Analytica-Skandal und die dadurch bewirkten öffentlichen Verhöre des Tech-Giganten haben die Menschen für das Auslesen persönlicher Daten auf Unternehmensseite sensibilisiert – und als Konsequenz darauf scheinen sich wieder viele darauf besonnen zu haben, den Fokus stärker auf das Offline-Leben zu legen.

Doch neben der wachsenden Besorgnis um die Datenverwertung werden künftig auch Gesundheitsaspekte wichtige Gründe fürs „Abschalten“ sein. Von Schlafmangel (seit 1991 ist der Anteil der amerikanischen Teenager mit Schlafproblemen bis 2015 um 57 Prozent gestiegen), vielsitzenden Tätigkeiten im Alltag oder Übergewicht bei Jugendlichen – es ist Zeit, dass sich was tut.

Gleichwohl ist es faszinierend zu sehen, dass vor allem jüngere Verbraucher, die diesbezüglich ja meist in der Kritik stehen, darum bemüht sind, wieder mehr Kontrolle zu erlangen und vom Fehlverhalten ihrer Eltern wie auch ihrer älteren Geschwistern zu lernen. Wir erinnern uns: 2016 beschwerten sich beispielsweise drei von zehn Kindern bei der Norwegischen Medienbehörde, dass ihre Eltern „zu viel Zeit mit ihren Smartphones und auf Social Media“ verbringen würden. Im Vergleich sagten in einer Mintel-Befragung etwa 56 Prozent der amerikanischen Gen Z zwischen 18 und 23 Jahren aus, zu „versuchen, die Online-Zeit auf Social Media-Kanälen zu reduzieren“ – und lagen dabei deutlich über dem amerikanischen Durchschnitt von 44 Prozent.

Das Paradox: Technologie zum Abschalten

Dan Ariely, Professor am Institut für Psychologie und Verhaltensökonomie der Duke University, ist Verfechter von Software-Lösungen, die Menschen dabei helfen, wieder mehr Kontrolle über ihre Online-Zeit zu erlangen. Erhielten wir Mitteilungen etwa nur noch beim aktiven Nutzen unserer Geräte, so sein Plädoyer, würde sich nicht nur unser Stresslevel senken, sondern sich der Fokus wieder auf die wichtigen Dinge richten, da so der geistige „Flow“ bei der Arbeit nicht gestört werde.

Aus Verbrauchersicht würde das „Abschalten“ jedoch nie gelingen, wenn Smartphones und Co. als eine Art Laster angesehen würden, die es abzulegen gilt. Stattdessen wurde der Offline-Zeit positive Nutzen zugesprochen, dank denen es gelingt, wieder frische Energie und Freude aufzutanken. Die dänische App „Hold“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Technologie diesen zu integrieren Ansatz versucht: Schüler können für jede Stunde, in der sie ihr Handy nicht berührt haben, Punkte sammeln und diese später in Cafés, Kinos oder bei im Amazon-Shop einlösen. So sollen sie zum Lernen und für soziale Aktivitäten motiviert werden.

Da immer mehr Menschen versuchen, ihre Online-Zeit zu reduzieren, müssen Apps und Webseiten künftig clevere und interessante Marketinginitiativen anstreben, die sich über das reine Entertainment hinwegheben. Viele der heute amerikanischen 18-23-Jährigen fühlen sich auf täglicher Basis überstimuliert, wobei 57 Prozent zugeben, Online-Services dafür zu nutzen, um eine Sport- oder Interessengruppe bzw. andere Aktivitäten vor Ort zu finden. Künftig werden wir daher wohl mehr Initiativen wie Red Bulls „Find Your Band“-Plattform in Brasilien sehen – diese versucht beispielsweise, Musiker miteinander zu verbinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zwecks Band-Gründung persönlich kennenzulernen. Die Grenzen zwischen „Online“ und „Offline“ sind bereits unwiderruflich miteinander verschwommen, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Aktivitäten, die jedoch einen tatsächlichen Mehrwert versprechen, erleben hingegen ein Revival und redefinieren, was es bedeutet, tatsächlich „verbunden zu sein“.

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