So hat COVID-19 die Zukunft nach vorne gespult [Teil 1]

So hat COVID-19 die Zukunft nach vorne gespult [Teil 1]

27/05/2020
Lesezeit: 8 Min.

Die COVID-19-Pandemie übt weltweit einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft und Verbraucher aus. Viele der Prognosen der Globalen Verbrauchertrends 2030 von Mintel wurden dabei schneller vorangetrieben als gedacht. In diesem Artikel untersuchen wir, in welchem Ausmaß sich das Verbraucherverhalten verändert hat, ob diese Änderungen sich langfristig halten werden und wie diese Einfluss auf die Konsumenten nehmen werden.

Wohlbefinden

Das Streben nach körperlichem und geistigem Wohlergehen.

Unsere Vorhersagen

  • Bewusste Bewegungs- und Meditationsübungen werden genauso wichtig wie körperliche Fitness
  • “Das saubere und sichere“ Zuhause erhält eine neue Bedeutung
  • Fitnessaktivitäten finden dank digitaler Tools auch in den kleinsten Räumen statt

Was hat sich verändert?

Bei der Coronakrise handelt es sich um einen beispiellosen Ausnahmezustand, der die gesamte Welt ergriffen hat und langfristige Folgen für das individuelle Wohlbefinden birgt. Infolgedessen sprechen Menschen offener über ihre Gefühlswelt und Probleme, was zeigt, dass sich der Umgang mit der geistigen Gesundheit im Wandel befindet. Mintel prognostiziert, dass die Vor- und Nachsorge für psychische Erkrankungen weltweit zu einem essenziellen Part der Gesundheitssysteme werden wird.

Aufgrund des Coronavirus tritt nun die Stärkung des Immunsystems in den Vordergrund, wofür auch die psychische Gesundheit eine wesentliche Rolle spielt. Da die Verbraucher versuchen, sich vor einer zweiten Ansteckungswelle zu schützen und ihr Immunsystem nachhaltig auf Vordermann zu bringen, werden Produkte mit gesundheitsbezogenen Auslobungen Wachstum verzeichnen. Zudem wenden sich die Verbraucher aufgrund der situationsbedingten Ängste nun Produkten mit stresslindernden und beruhigenden Eigenschaften zu.

Was kommt als nächstes?

  • Wohlbefinden 2.0.: Ganzheitliche Gesundheit umfasst nicht mehr einzig nur den menschlichen Körper, sondern auch Gemeinschaften und den menschlichen Lebensraum als Ganzes.
  • Digitaler Austausch: Kontakte über soziale Medien sind für Verbraucher auf komplexe Art zu einer „Rettungsleine“ geworden. Diese Abhängigkeit wird auch nach der Quarantäne weiter fortbestehen. Während Verbraucher bezüglich der Datenverarbeitung offener werden, müssen Firmen weiterhin an ihrem Datenschutz feilen, um so jegliche Zweifel und Kritik zu zerstreuen.
  • Geistige Gesundheit wird zur Priorität: Verbraucher zeigen nun ihre echte Persönlichkeit und Identität. Auch nach der Massenquarantäne wird das Thema geistige Gesundheit eine Vorrangstellung haben.

Erlebnisse

Die Suche nach Stimulation.

Unsere Vorhersagen

  • Erlebnisse werden nicht mehr exklusive, sondern dank neuester Technologie inklusive sein
  • Bildung wird zum sozialen Erlebnis, wie z. B. durch virtuelle Kochkurse
  • E-Sports wird Mainstream
  • Langeweile erhält eine neue Bedeutung: Verbraucher akzeptieren diese und messen dem Nichtstun neuen Wert bei
  • Kollektive Erlebnisse werden neu definiert

Was hat sich verändert?

Der Lockdown hat die Menschen dazu gelehrt, ihr Leben wieder zu entschleunigen. Im Verbrauchertrendbericht sagte Mintel noch voraus, dass sich 2030 alles ums Abschalten und das „bewusste Nichtstun“ drehen würde. Stand der Jahresanfang noch ganz im Zeichen von Convenience und schnellem Konsum, hat COVID-19 die Entwicklung hin zu einem langsameren Lebensstil bereits ins Jahr 2020 gerufen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass der Erlebnishunger gänzlich gestillt wurde. Allerdings werden sich Verbraucher neue Wege finden, um Dinge zu erleben und mit anderen zu teilen. Dabei geht es vor allen Dingen um sozialen Kontakt – im Gegenzug wird der Erwerb materieller Objekte weniger relevant werden.

Kontaktbeschränkungen und physische Distanzierung werden zur Norm, wodurch die Nachfrage nach regelkonformen Erlebnissen wächst. Gefragt sein werden Marken und Unternehmen, die an diesem Punkt ansetzen und den sozialen Austausch fördern. In der ferneren Zukunft werden die Konsumenten dazu angetrieben sein, neue, aufregende Aktivitäten auszuprobieren – egal, ob außer Haus oder in den eigenen vier Wänden.  Infolgedessen wird eine ganze Reihe von Unternehmen (auch außerhalb der Freizeitindustrie) sowohl Online- als auch Offline-Kanäle nutzen, um den Verbrauchern innovative Erlebnisse bieten zu können.

Was kommt als nächstes?

  • Gemeinsame Erlebnisse: Man könnte sagen, dass der inoffizielle Slogan der Pandemie in etwa „Wir machen das zusammen durch“ lautete und diese kollektive Erfahrung passend beschreibt. Viele Unternehmen bieten Hilfsangebote für Angestellte und Kunden an, was auch nach der Krise positiv in Erinnerung bleiben wird.
  • Gaming als einigende Kraft: Gaming wird dank der COVID-19-Pandemie immer populärer und die sich ändernde Einstellung zu Videospielen wird dabei helfen, diese Unterhaltungstechnik der breiteren Gesellschaft zugänglich zu machen.
  • Aktivitäten zur Aufheiterung: Auf der Suche nach Aufheiterung und Ablenkung ergibt sich für Marken die Möglichkeit, sich durch ein Angebot an Spielen und anderen Aktivitäten positiv im Gedächtnis der Verbraucher zu verankern und die Menschen angesichts der drohenden Rezession zu erheitern.

Identität

Der Wunsch, verstanden zu werden und seinen Platz in der Gesellschaft zu haben.

Unsere Vorhersagen

  • Einst als Quelle sozialer Isolation bezeichnet, werden soziale Netzwerke zu einer  essentiellen Ressource für menschlichen Kontakt und gegenseitiger Unterstützung
  • Menschen verflechten ihre Identität immer mehr mit der eigenen Region
  • Erfahrungen über die eigene Identität werden offener mit anderen geteilt
  • Steigende Besorgnis über gesellschaftliche Dynamiken der Einsamkeit

Was hat sich verändert?

Die Minimierung des physischen Kontakts wird zur Norm, was allerdings nicht bedeutet, dass man soziale Distanz mit Isolation gleichsetzen sollte. Unterstützungsnetzwerke und digitale Communities werden immer wichtiger, insbesondere für gefährdete Personen. Marken haben eine soziale Verantwortung, zur Bekämpfung der zunehmend problematischen „Einsamkeitsepidemie“ beizutragen.

Mintel prognostiziert, dass die meisten Verbraucher gestärkt aus dem Lockdown kommen werden, da sie während dieser Zeit zur Eigenreflektion gezwungen waren und ihre Prioritäten neu setzen mussten. Wir gehen davon aus, dass die Menschen nach COVID-19 stärker für ihre Werte und Unternehmen, die diese vertreten, eintreten werden. In Asien macht sich dies bereits schon jetzt durch ein neues Bewusstsein für lokale Communities, den eigenen geschichtlichen Hintergrund sowie einen generellen Lokalismus bemerkbar – Eckpfeiler, an denen sich die Menschen vor allem jetzt in der Krisenzeit orientieren.

Was kommt als nächstes?

  • Die Macht der Beziehungen: Soziale Bindungen bringen mehr Komplexität in das menschliche Leben, sei es durch das Gefühl der Zugehörigkeit wie auch zur Identitätsbildung. Künftig wird diese soziale Komponente wichtiger denn je; sie wird beispielsweise zu einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl führen.
  • Empowerment: Die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem verschwimmt zusehends, wodurch mehr Menschen öffentlich dazu bereit sind, über ihre Identität sprechen. Viele geben freizügigere Einblicke in ihr Leben und teilen ihre Erkenntnisse mit anderen, wodurch langfristig bedeutungsvollere Beziehungen entstehen.
  • Social distancing ≠ social isolation: Die Maßnahmen zur Minimierung der sozialen Kontakte hat den Fokus vom Individuum auf das Kollektiv gelenkt und somit einen neuen Gemeinschaftsgeist erschaffen, der über den Lockdown hinaus bestehen bleiben wird. Hierdurch werden Communities eine neue, tiefergreifende Bedeutung zugeschrieben, die es Marken erlaubt, Zielgruppen auf bedeutungsvollerem Wege anzusprechen.

Rechte

Der Wunsch, respektiert, beschützt und unterstützt zu werden

Unsere Vorhersagen

  • Steigender öffentlicher Druck durch soziale Bewegungen
  • Unternehmensethik und unternehmerische Sozialverantwortung werden nicht mehr nur als „nette Accessoires“ erachtet, sondern werden in Zukunft sowohl intern als auch extern eine essenzielle Rolle spielen.
  • Verschwimmende Grenze zwischen dem öffentlichen und dem Privatsektor

Was hat sich verändert?

So wie wir gesehen haben, wie Menschen während des Lockdowns neue Kommunikationswege gefunden haben, kam es in dieser Zeit auch zu einer neuen Bewegung hin zu kollektivem Aktivismus. Menschen haben während des Lockdowns nicht nur neue Wege zur Kommunikation, sondern auch zum aktivistischen Handeln gefunden. Aus diesem Grund prognostiziert Mintel, dass der Einsatz von neuen Technologien den sozialen Wandel weiter befördern wird. Dies kommt unter anderem durch einen vereinfachten Zugang zu Informationen, Geldmitteln und Unterstützungsnetzwerken zum Ausdruck – auch  für diejenigen, die aufgrund ihres abgeschiedenen Wohnsitzes oder aus wirtschaftlichen Gründen seltener Vertretung finden.

Apps zur Nachvollziehung der sozialen Kontakte könnten potenziell als Lösung zur Eindämmung des Coronavirus und zur bestmöglichen Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens dienen. Zur praktischen Umsetzung muss allerdings noch viel bestimmt werden, vor allem was gesundheitsbezogene Datenschutzverordnungen betrifft.

Nachdem Verbraucher weltweit mit der Digitalisierung ihres Arbeits-, Schul- und Privatlebens konfrontiert wurden, ist das Thema Internetzugang als grundlegendes Menschenrecht in den Blickpunkt gerückt. Mintel prognostiziert ferner, dass Verbraucher stärker auf ihr Recht auf einen Internetzugang pochen werden.

Was kommt als nächstes?

  • Ende der digitalen Kluft: Die Verbraucher mobilisieren sich, um das Internet künftig für alle Menschen zugänglich zu machen. Die während der Pandemie sichtbar gewordene Kluft wird sie dazu motivieren, den Zugang zum Internet als Rechtsanspruch zu verankern.
  • Öffentlicher Handlungsbedarf: Durch die steigende Anzahl gesellschaftlicher Bewegungen wird der Handlungsdruck auf die Politik immer größer. Diese Verschiebung der Verbrauchererwartungen wird Firmen dazu veranlassen, ethische Fragen und Ziele zu einem Teil ihrer Kernphilosophie und -praxis zu machen, was zu einer Zunahme ethisch orientierter Geschäftsmodelle führen wird.
  • Weiterführende Gespräche zum Thema Datenschutz: Durch die Corona-Warn-Apps zur Kontaktverfolgung wird die Diskussion um Datenschutz neu aufgerollt
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