Female Founders: Interview mit Tessa Clarke, CEO und Mitgründerin von OLIO [Teil 1]

Female Founders: Interview mit Tessa Clarke, CEO und Mitgründerin von OLIO [Teil 1]

13/12/2019
Lesezeit: 5 Min.

OLIO ist ein digitales Start-up in Großbritannien, das 2015 mit dem Ziel gegründet wurde, Lebensmittelabfälle einzudämmen. Durch die App bekommen User die Möglichkeit, überschüssige Lebensmittel mit ihrer näheren Umgebung auszutauschen. Die Herzogin von Sussex, Meghan Markle, war davon so sehr beeindruckt, dass sie die Mitgründerin Tessa Clarke für die September-Ausgabe der britischen Vogue interviewt hat. Auch Mintels Global Food & Drink Analystin Katya Witham hat in einem exklusiven Interview mit Tessa gesprochen, um mehr über ihr Unternehmen, das Erfolgsmodell und die Veränderung des Verbraucherverhaltens hin zu mehr Nachhaltigkeit zu erfahren.

Was ist OLIO und woher kam die Idee dafür?

OLIO ist eine mobile App, die das Problem der Lebensmittelverschwendung zu Hause und in der Gemeinschaft anpackt. Dazu muss man nur ein Foto von einem Haushaltsgegenstand oder einem Lebensmittelprodukt machen, für das man keinen Gebrauch mehr hat und es auf der OLIO-App hochladen. Jemand, der sich in der Nähe befindet und die Liste der angebotenen Sachen durchstöbert oder nach etwas Bestimmten sucht, kann dann bei der jeweiligen Person vorbeikommen und es abholen. Ich möchte betonen, dass OLIO kostenlos ist und die App im Grunde auf dem Austausch unter Nachbarn basiert. Man bekämpft also nicht nur einfach die Verschwendung von Lebensmitteln, sondern lernt gleichzeitig die lokale Gemeinschaft besser kennen.

Die Idee für diesen Service entstand vor ungefähr fünf Jahren, als ich in ein anderes Land gezogen bin und die Umzugshelfer mir sagten, dass ich alle meine Lebensmittel wegschmeißen müsse. Da ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, weiß ich, wie viel harte Arbeit in die Produktion unseres Essens gesteckt wird. Ich war nicht darauf eingestellt meine Lebensmittel wegzuwerfen, weshalb ich sofort aufhörte zu packen und nach draußen auf die Straße ging, um dort jemanden zu finden, dem ich meine Sachen geben konnte. Für mich war es absurd, Lebensmittel wegzuschmeißen, die noch absolut in Ordnung waren, wenn jemand in meiner Nähe diese vielleicht wollte oder sogar brauchte.

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OLIOs Gründerinnen Tessa Clarke und Saasha Celestial-One (von links)

 

Die Landschaft der Lebensmittel- und Getränkeindustrie und die Einstellung der Verbraucher zu Lebensmittelverschwendung haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Welche Veränderungen hatten die größten Auswirkungen auf OLIO?

Es gab zwei Veränderungen, die zum Wachstum von OLIO beigetragen haben. Die eine ist sicherlich der Trend hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise. Die Welt heute sieht sich mit mehreren Krisen konfrontiert: der Umwelt-, Biodiversitäts- und Ressourcenerschöpfungs-Krise. Ob es mit Palmöl oder mit der Verpackung zu tun hat, die Menschen wissen bis zu einem gewissen Grad, dass Lebensmittel eine hohe CO2-Bilanz haben. Aus diesem Grund interessieren sich die Verbraucher auch vermehrt für nachhaltige Lebensmittel.

Zusätzlich erleben wir eine wachsende Beliebtheit an lokalen Produkten, die durch das Bedürfnis, die Herkunft der Lebensmittel zu kennen, und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl angetrieben wird. Menschen gehen zu Bauernmärkten vor Ort, aber es gibt auch immer mehr Apps und Start-ups, die versuchen, Verbraucher mit lokalen Anbietern in Verbindung zu setzen. Ich persönlich denke, dass sich zahlreiche Verbraucher nicht mehr lange für industrielle Massenlandwirtschaft interessieren werden, sondern sich immer mehr lokal und nachhaltig hergestellte Lebensmittel wünschen.

OLIO zählt über 1,5 Millionen User, aber wer sind diese Menschen aus demografischer Perspektive? 

Im Moment haben wir 1,6 Millionen User, die 2,7 Millionen Portionen an Lebensmittel geteilt haben, was im Bezug auf die Umweltbelastung einer Einsparung von über 400 Millionen Litern Wasser entspricht.

70 Prozent unserer User sind weiblich. Wir sind stolz darauf, dass bei OLIO alle Altersgruppen vertreten sind – vom Studenten bis zum Rentner, jeder verwendet unsere App! Trotzdem verzeichnen wir mehr Millennials, was bedeutet, dass wir eine überwiegend weibliche Millennials-Gemeinschaft haben.

Was sind die beliebtesten Produkte in der OLIO-App?

Wir sehen sehr viele Angebote für frisches Obst und Gemüse in unserer App. In der heutigen Zeit, in der sich viele einem unvorhersehbaren beruflichen Alltag konfrontiert sehen, kann es schwierig sein, alle frischen Zutaten zum Kochen zeitig aufzubrauchen. Ein meiner Meinung nach lustiges Angebot ist Tee, weil wir doch eine Nation großer Teeliebhaber sind! Aber was ist, wenn man gerne unterschiedliche Teesorten ausprobiert und welche dabei sind, die man nicht mag? Häufig werden auch ganze Vorratsschränke entrümpelt: Gemüse und Hülsenfrüchte in der Dose, Nudeln, Kekse usw. Kurz gesagt: Sachen, die die Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr essen möchten.

Glauben Sie, dass dem Normalverbraucher die Verbindung zwischen Lebensmittelverschwendung und Klimawandel bekannt ist?

Ich persönlich glaube nicht, dass Lebensmittelverschwendung allgemein für den negativen Effekt auf die Umwelt und das Klima bekannt ist. Lebensmittel machen einen natürlichen und organischen Eindruck; deshalb ist es beinahe widersprüchlich zu denken, dass diese Produkte zum Klimawandel beitragen. Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, dann wäre sie nach den USA und China die drittgrößte Quelle für Treibhausgasemissionen. Die meisten sind fassungslos, wenn sie das herausfinden. Viele sind sich nicht bewusst, wie ressourcenintensiv und verschwenderisch unser Nahrungsmittelsystem ist. Während die Medien das Thema der Umweltverschmutzung durch Plastik häufig aufgreifen, sind Nahrungsmittel weniger als „Umweltfeind“ bekannt. Deshalb sind viele Menschen darüber schockiert, wenn sie erfahren, dass ein Viertel des gesamten Süßwassers für den Anbau von Nahrung genutzt wird, die nie gegessen wird – bei einem Drittel aller produzierten Nahrungsmittel kann man sich das Ausmaß ausmalen. Ich glaube aber, dass sich diese Wahrnehmung ab 2020 ändern wird.

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