TTIP-Debatte: Ein Drittel der Deutschen würde niemals genmanipulierte Lebensmittel kaufen

TTIP-Debatte: Ein Drittel der Deutschen würde niemals genmanipulierte Lebensmittel kaufen

07/12/2015
Lesezeit: 4 Min.

In den vergangenen 12 Monaten stand das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den USA immer wieder im Mittelpunkt hitziger Diskussionen. Während Unterstützer argumentieren, TTIP mache Exporte, Importe und Investitionen in den USA für Unternehmen leichter und gerechter, sind Gegner der Ansicht, das Abkommen schwäche die Gesetze zur Lebensmittelsicherheit und zum Umweltschutz. Die Folge könne eine Überschwemmung der europäischen Märkte mit gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln sein, die mit Pflanzenschutzmitteln und Wachstumshormonen behandelt wurden.

Wie in „Ein Blick über den Teich“ – ein Mintel Verbrauchertrends für das Jahr 2016 – aufgeführt wurde, ist der Widerstand gegen TTIP besonders stark in Deutschland. Neben allgemeinen Bedenken zur Transparenz der Verhandlungen sind die unterschiedlichen regulatorischen Standards ein zentraler Streitpunkt. Will beispielsweise ein Unternehmen in Europa einen Inhaltsstoff verwenden, muss es zuvor nachweisen, dass diese Substanz ungefährlich ist. In den USA hingegen ist die Verwendung einer Substanz solange möglich, bis nachgewiesen ist, dass diese gefährlich ist.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel, die auf dem US-Markt weit verbreitet sind, sind in Deutschland ein strittiger Aspekt. Laut einer Mintel-Untersuchung würde über ein Drittel (36 %) der deutschen Verbraucher niemals gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen; diese Meinung findet unter älteren Menschen die meisten Vertreter, bei der Gruppe 55+ ist es sogar die Hälfte. Auch in vielen Nachbarländern Deutschlands – Frankreich, Italien, Spanien und Polen – ist dieser Widerstand weit verbreitet. Außerdem geben zwei Drittel der deutschen Verbraucher an, sie hätten gegenwärtig Bedenken, wie sicher der Verzehr von Obst und Gemüse ist. Und mehr als die Hälfte der Deutschen glaubt, es lohne sich, für regional angebautes Gemüse mehr Geld auszugeben.

„Würstchen-Streit“ erhitzt die Gemüter

Eine weitere große Sorge im Zusammenhang mit TTIP ist der Schutz beliebter regionaler deutscher Spezialitäten wie zum Beispiel Nürnberger Bratwürste, Schwarzwälder Schinken oder Biere aus Bayern. Wenn die Handelsbarrieren aufgehoben würden, wäre es auch US-Herstellern erlaubt, solche Waren zu produzieren. Die Europäische Kommission versuchte, die Debatte zu beschwichtigen und gab an, geografisch geschützte Lebensmittelbezeichnungen würden unberührt bleiben. Nichtsdestotrotz besteht bei Kritikern nach wie vor die Sorge, dass TTIP sich für den deutschen Mittelstand mit seinen zahlreichen regionalen Spezialitäten, von denen die meisten keinen formalen Schutz genießen, als Wettbewerbsnachteil herausstellen könnte.

Zwei von fünf Deutschen sind bereit, für Milch aus bestimmten geografischen Gebieten mehr Geld auszugeben

Neben allen genannten Risiken bietet TTIP jedoch auch sehr große Chancen für die Entwicklung regionaler Konzepte in Deutschland. Regionalität ist in der Bundesrepublik bereits jetzt ein boomender Trend. Als eine Art Gegenthese zur Massenproduktion spielt sie eine bedeutende Rolle und erregt die Aufmerksamkeit von Verbrauchern, die Wert auf frische Produkte, Qualität und Authentizität legen. Produkte „Made in Germany“ gewinnen kategorieübergreifend an Beliebtheit, insbesondere im Bereich frischer Lebensmittel. Laut einer Mintel-Untersuchung gibt mehr als die Hälfte der Deutschen an, ein regionaler Ursprung sei beim Kauf von Fleisch oder Meeresfrüchten ein wichtiger Faktor; desweiteren sind beinahe zwei von fünf Deutschen bereit, für Milch aus bestimmten geografischen Gebieten mehr Geld auszugeben.

Sollte TTIP nächstes Jahr verabschiedet werden, könnte die Vereinbarung die Standards in europäischen Supermärkten lockern und das Einkaufen für Verbraucher komplizierter gestalten. Daher wird bei neuen Produkten Transparenz wichtiger sein denn je. Zudem werden Produkte, die damit werben, nicht gentechnisch verändert worden zu sein und einen regionalen Ursprung zu haben, in Europa einen noch höheren Stellenwert genießen.

Die Vollversion des Mintel Reports „Verbrauchertrends Europa 2016“ können Sie hier kostenlos herunterladen. Die PDF-Datei enthält die fünf wichtigsten Verbrauchertrends, sowie innovative Produkt- und Servicekonzepte für europäische Märkte im Jahr 2016.

Julia Buech ist Food & Drink Analystin mit Fokus auf Deutschland bei Mintel. Sie ist darauf spezialisiert, eine Reihe von Nahrungsmittel- und Getränkekategorien im deutschen Markt zu analysieren. Als sie im Jahr 2009 als Trend & Innovation Consultant zu Mintel stieß, war Julia dafür verantwortlich, für Mintels deutschsprachige Kunden maßgeschneiderte Analysen zu Produktinnovationen durchzuführen und Kundensupport zur Verfügung zu stellen.

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